Die frühzeitige Erkennung eines Schlaganfallrisikos liegt mir persönlich besonders am Herzen, denn sie ermöglicht eine rasche therapeutische Handlungsfähigkeit mit der Chance, die Folgen eines schweren Schlaganfalles zu vermeiden.
In der Früherkennung von Schlaganfallrisiken haben wir die reale Chance, etwas für unsere Gesunderhaltung zu tun. Oft jedoch stelle ich fest, dass eine weit verbreitete Meinung vorherrscht: Viele Menschen glauben, dass sich das Auftreten eines Schlaganfalles nicht vorhersagen oder verhindern lässt. Dann jedoch tritt plötzlich ein Schlaganfall ein wie ein Blitz aus heiterem Himmel.
Für die meisten Menschen stellt dies eine schwere Katastrophe dar, denn die damit verbundenen Symptome wie körperliche und sprachliche Behinderungen lassen den Betroffenen oftmals teilweise oder gänzlich pflege- und unterstützungsbedürftig werden. In jüngeren Lebensjahren ist dann oftmals keine weitere berufliche Tätigkeit möglich. Denn: Schlaganfälle als Gesamtdiagnose treten nicht nur – wie häufig geglaubt – bei alten Menschen auf, sondern sie können auch junge Menschen treffen.
Oftmals treten vor dem eigenen Schlaganfallereignis für die Dauer von wenigen Sekunden oder Minuten Minisymptome auf. Sie äußern sich z.B. in flüchtigen Sehstörungen, in einem Schwindel, in Kribbeln bzw. anderen Sensibilitätsstörungen oder in flüchtigen Lähmungserscheinungen.
Im Alltagsstress werden diese Symptome nicht ausreichend ernst genommen. Es hat sich ja alles wieder zurückgebildet. Der Vorbote eines Schlaganfalles wird übersehen. Es geschieht auch nicht selten, dass die Gefahr eines drohenden Schlaganfalles in ihrem Ausmaß nicht erkannt wird. Ich habe schon oftmals gehört, dass jemand zu mir sagte, „ich hatte ein kleines Schlägele“. Diese flüchtigen Symptome nennen wir transitorisch-ischämische Attacken (TIA). Sie kündigen das Auftreten eines schweren Schlaganfalles an.
In Deutschland erkranken ungefähr 150.000 bis 300.000 Einwohner pro Jahr neu an einem Schlaganfall. Man nimmt an, dass knapp 1 Million Menschen in Deutschland an den Folgen eines solchen Schlaganfalles leiden. 20% der Patienten versterben in den ersten 4 Wochen.
Von den Überlebenden wird nur etwa 1/3 so gut wiederhergestellt, dass sie ohne Einschränkungen so leben können wie vor dem Schlaganfall. Ein weiteres Drittel wird zwar wieder soweit selbständig, dass einfache tägliche Dinge verrichtet werden können, die Betroffenen sind aber durch Lähmungen und andere Symptome so behindert, dass sie nicht mehr berufstätig sein können. Das letzte Drittel der Schlaganfallpatienten bleibt pflegebedürftig.
Was passiert bei einem Schlaganfall?
Mit der Bezeichnung Schlaganfall oder apoplektischer Insult ist ganz allgemein eine plötzlich einsetzende Störung der Hirntätigkeit gefäßbedingter Ursache gemeint.
Diese Definition sagt jedoch nichts darüber aus, ob es sich um eine Hirndurchblutungsstörung oder aber um eine Hirnblutung handelt.
Hingewiesen sei auch auf die Tatsache, dass es auch im Rückenmark zu Schlaganfällen kommen kann, wenn große Rückenmarksgefäße nicht mehr richtig durchblutet werden oder wenn spinale Aneurysmen (Gefäßaussackungen) platzen.
Unser Gehirn besteht aus dem Großhirn, Hirnstamm und Kleinhirn. Zusammen mit dem Rückenmark und den Sehnerven bildet das Gehirn das zentrale Nervensystem. Es ist spiegelbildlich in zwei gleiche Hälften geteilt. Jede Hälfte enthält 4 große Hirnlappen.
Die Hirndurchblutung erfolgt über ein sehr kompliziertes Gefäßnetz. Eine Besonderheit besteht darin, dass viele Abschnitte des Gehirnes ausschließlich von einer Arterie versorgt werden, ohne dass ausreichende weitere Zuflussmöglichkeiten über Ersatzgefäße oder Seitenwege bestehen.
Wir unterscheiden die extracraniellen hirnzuführenden Gefäße, die im Hals lang laufen (Hauptschlagader) und mit der direktionellen Dopplersonografie erreichbar sind, und die intracraniellen Hirngefäße, die im knöchernen Schädel das Gehirn direkt versorgen und mit der transcraniellen Dopplersonografie diagnostizierbar sind.
Mögliche Schlaganfall-Symptome
Je nachdem, welches Gefäß im Gehirn oder außerhalb des Gehirnes erkrankt ist, können sich eine Fülle von Symptomen einstellen. Schlaganfallsymptome können nicht nur Sprachstörungen, halbseitige Sehstörungen und Bewusstseinsstörungen produzieren. Vielmehr kann sich auch eine Fülle von neuropsychologischen Störungen einstellen, wie z.B.:
- die motorische Apraxie, bei der die Betroffenen nicht in der Lage sind, von einem Stuhl aufzustehen
- die Ankleideapraxie, bei der z.B. ohne Hilfe kein Hemd oder keine Bluse mehr angezogen werden kann
- die ideomotorische Apraxie, eine Störung, bei der symbolische Handlungen nicht mehr durchgeführt werden können
- die ideatorische Apraxie, eine Störung, bei der komplizierte Handlungsfolgen mit konkretem Verbrauch verschiedener Objekte nicht ausgeführt werden können, z.B. sind solche Menschen nicht mehr in der Lage, sich eine Tasse Pulverkaffee zuzubereiten
- eine konstruktive Apraxie, bei der das räumliche Vorstellungsvermögen so eingeschränkt ist, dass die Patienten kein Fahrrad mehr zeichnen können
- eine visuelle Agnosie: die Betroffenen haben zwar normale Seheindrücke, können den Wahrnehmungen aber keine Bedeutung beimessen und z.B. nicht sagen, um welche Gegenstände oder Personen es sich handelt
- bei der taktilen Agnosie können Patienten z.B. einen schmerzhaften Nadelstich in einem Finger zwar wahrnehmen, ohne zu erkennen, was dieses bedeutet, also ein Schmerzerleben, aber ohne die Hand dann wegzuziehen
- ähnlich trifft es bei der auditorischen Agnosie zu, dass Patienten etwas hören können, ohne die Bedeutung des Gehörten zu erfassen
- bei der Fingeragnosie können die Patienten beispielsweise ihre Finger benennen, nicht aber auf Aufforderung den Ringfinger oder einen anderen Finger bewegen
- bei einer Stereoagnosie ist das räumliche Erkennen durch Betasten gestört, z.B. können die Patienten mit geschlossenen Augen einen Gegenstand befühlen aber nicht benennen, um welchen Gegenstand es sich handelt
- bei einer Alexie können die Patienten zwar schreiben, aber nicht lesen
- bei einer Agraphie können sie nicht schreiben
- bei einer Akalkulie können sie nicht rechnen
- bei einem Neglect handelt es sich um eine Störung in der Wahrnehmung einer Körperseite oder deren Umgebung, was zu einer Vernachlässigung oder Unaufmerksamkeit gegenüber dieser Körperseite führt
- bei einem visuellen Neglect, eine der häufigsten Neglectformen, wird z.B. eine Tellerhälfte vernachlässigt, da sie nicht wahrgenommen wird oder es erfolgt ein häufiges Anrempeln mit der Schulter.
Aber auch andere Schlaganfallsymptome wie Schluckstörungen, Heiserkeit, akuter Schwindel, Kribbeln, Lähmungserscheinungen, Kopfschmerzen sind ernst und wichtig zu nehmen und bedürfen einer sofortigen neurologischen Abklärung.
Nur der Neurologe ist aufgrund seiner Qualifikation und aufgrund von direktionellen und transcraniellen dopplersonografischen Untersuchungen in der Lage, eine Aussage über den gesundheitlichen Zustand der Hirngefäße zu machen.
Schlaganfall-Prophylaxe
Aus medizinischer Sicht ist es sehr sinnvoll, dass der Zustand der hirnzuführenden und hirnversorgenden Gefäße einmal im Jahr dopplersonografisch untersucht wird. Ein individuelles Schlaganfallrisiko kann weiter eingeschätzt werden, in dem jährlich das Schlaganfallrisiko nervenfachärztlich eingeschätzt wird.
Die dopplersonografische Untersuchung der Gefäße ermöglicht eine Aussage über den Zustand dieser Gefäße und über die Tatsache, ob ein arteriosklerotischer Prozess als wesentlicher Risikofaktor für Schlaganfälle vorliegt oder nicht.
Darüber hinaus müssen sämtliche Gefäßrisikofaktoren einmal jährlich kontrolliert werden. Prophylaktische Untersuchungen jedoch sind keine Kassenleistungen. Sie sind IGEL-Leistungen, d.h. der Patient muss die Kosten selbst tragen.
Was kann nun aber jeder Einzelne tun, um das Risiko eines Schlaganfalles zu senken?
1. sportliche Aktivitäten
2. Blutdruck-Management, d.h. Erreichen eines normalen Blutdrucks
3. gute Einstellung von Fett- u. Zuckerstoffwechsel
4. Verzicht auf Nikotin oder Raucherentwöhnung
5. jährliche Kontrolle des Schlaganfallrisikos per Dopplersonografie
Insgesamt ist festzustellen, dass wir in Deutschland in einem der modernsten Länder der Welt leben und eigentlich über eine wunderbare Demokratie verfügen.
Es erscheint kaum vorstellbar, dass der Einsatz modernster Präparate zur sekundären Schlaganfallprophylaxe oftmals mit vielen Ärgernissen für den verschreibenden Arzt verbunden sein kann.
Die Aufklärung der Bevölkerung halte ich persönlich für eines der wesentlichen Mittel, dem Schlaganfallrisiko insgesamt entgegen zu wirken. Aus diesem Grunde halte ich regelmäßig Vorträge über Schlaganfälle in Norderstedt, Hamburg und Umgebung und bilde bundesweit Ärzte in der Behandlung von Schlaganfällen fort.