Mit dem Frühjahr beginnt auch die Pollen-Flugsaison. Viele Menschen leiden unter allergischem Schnupfen bzw. Heuschnupfen. Häufig müssen sie niesen, die Augen brennen, die Nase läuft oder die Tränen
fließen. Bei manchen Menschen ist dies so schlimm, dass sie nur noch sehr schwer Luft bekommen, die Entzündung der Nasennebenhöhlen schließlich auf die Lungen übergreift und sich ein Bronchialasthma entwickelt.
Andere leiden ganzjährig, sozusagen saisonunabhängig unter einem chronischen Schnupfen (= chronische Rhinitis oder Rhinitis nervosa) und entwickeln allmählich Polypen der Nasenschleimhaut, Nasennebenhöhlenentzündungen oder ein Asthma bronchiale mit den typischen Spätfolgen einer ganzjährig verstopften Nase.
Aus westlicher Sicht sind hierfür unter anderem Allergene verantwortlich (Pollen, Hausstaub, Tierhaare ), die allergische Reaktionen auslösen, d.h. eine übersteigerte Reaktion zwischen dem auslösenden Agens und dem spezifischen Immunglobulin E. Viele meiner Patienten sind über Jahre unter Dauerbehandlung mit Cortison gewesen, oder sie haben sich vergeblich einer Hypo- oder Desensibilisierungsbehandlung unterzogen.
Schulmedizinisch wird meistens symptomatisch behandelt. Nasen- und Augentropfen, Antihistaminika und in schweren Fällen auch mit Cortison. Wir alle wissen, dass eine langjährige Einnahme von Cortison ihre eigenen Gefahr in sich birgt: Diabetes mellitus, Übergewicht und eine schwere Osteoporose können die Folge sein. Doch oftmals ist der Patient so verzweifelt, dass er im Moment seiner akuten Betroffenheit mit all den unangenehmen Symptomen dann doch in seiner Not zum Cortisonspray oder gar zur Tablette greift.
Was macht die TCM hier anders?
Geht die traditionell chinesische Medizin ganz anders an die Grundfragestellung heran? Was geschieht eigentlich im Frühjahr mit uns, und welche Faktoren aus traditionell chinesischer Sicht sind für die Entstehung eines akuten oder chronischen Schnupfens, Heuschnupfens oder so genannten Rhinitis nervosa oder Rhinitis allergika bekannt ?
Oftmals ereignen sich diese allergischen Reaktionen im Frühjahr. Die Jahreszeit „Frühjahr“ ist in der traditionell chinesischen Medizin dem Element Holz und damit der Wandlungsphase Leber zugeordnet. In vielen Gedichten wird der frische Frühlingswind beschrieben. Tatsächlich wird dem klimatischen Agens des Windes (Ventus) in der traditionell chinesischen Medizin eine große Bedeutung im Frühjahr beigemessen. Der Wind affiziert die Wandlungsphase Leber, sagen alte chinesische Lehrsätze, was nichts Anderes meint, als das im Frühjahr oftmals so genannte Winderkrankungen auftreten. Wind ist flüchtig, kommt und geht unverhofft und verschwindet wieder so wie die flüchtige Symptomatik einer plötzlichen Heuschnupfenattacke.
Ein weiterer wichtiger Faktor für die Entstehung von Heuschnupfen und anderen allergischen Reaktionen bis hin zum Bronchialasthma sind natürlich auch unsere Abwehrkräfte, westlich unter Immunsystem bekannt.
Die moderne Labormedizin ist in der Lage, sehr genau die verschiedenen Immunparameter aufzuschlüsseln und zu messen. Die traditionell chinesische Medizin allerdings unterscheidet zwischen verschiedenen Formen unserer Abwehrkräfte. Da gibt es zum einen die Wandlungsphase Milz mit ihrem Milz Qi, das für unsere erworbene Konstitution (= Befindlichkeit) verantwortlich ist.
Was tun wir durch unsere Lebensweise, um mit feindlichen Attacken wie Pollenflug umzugehen? Ist unser Milz Qi und damit unsere erworbene Konstitution und letztendlich das System unserer Abwehrkräfte stark genug, um diese Allergene abzuweisen, oder aber haben wir uns über die Winterzeit sehr schlecht ernährt, an Pfunden zugenommen und unseren Antioxidantienspiegel (Vitamin A – C – E und Selen) in den Keller fahren lassen? Haben wir genug pflanzliche Farbstoffe (Bioflavonoide) zu uns genommen?
Hinzu kommen noch Faktoren der so genannten erworbenen Konstitution (zugeordnet der Wandlungsphase Niere). Wir würden in der westlichen Medizin diese erworbenen Konstitution mit unseren genetischen Bedingungen gleichsetzen, den Faktoren also, die uns durch unsere Erbfaktoren mitgegeben sind.
Die Schulmedizin behandelt hier nur mit dem Ratschlag, die Allergene zu meiden. Traditionell chinesisch stehen uns da ganz andere Möglichkeiten zur Verfügung:
Wir wählen Akupunkturpunkte, die Wind ausleiten (Ventus ausleitende Akupunkturpunkte) und kreieren chinesische Arzneimittelrezepturen, die Wind aus den Leitbahnen wieder herauslösen. Hier gibt es eine Fülle von Ansatzpunkten. Kennt man sich in der traditionell chinesischen Kräuterheilkunde sehr gut aus, ist es kein Problem, für jeden Menschen ein individuelles Kräuterrezept zu kreieren, das den akuten Wind aus den Leitbahnen löst und die erworbenen oder angeborene Konstitution entsprechend kräftigt. Hierzu ist eine langjährige umfassende Ausbildung in chinesischer Kräutermedizin zusätzlich zu der im allgemeinen bekannten Akupunktur notwendig.
Doch die Mühe lohnt sich. Viele meiner Patienten erinnern sich nur noch lächelnd an alte Zeiten, in denen sie schnieften, husteten, niesten.